Die besten Abenteuer haben in der Regel den gleichen Ausgangspunkt – das Sofa zuhause. Lisa liebt es Tourenbücher zu wälzen, egal ob den Kletterführer im Sommer oder den Skiguide im Winter. Dabei müssen kleine Post-it’s immer griffbereit liegen, um die besten Tourenoptionen zu markieren oder farblich zu unterscheiden, mit wem im nächsten Sommer welche Klettertour in Angriff genommen wird.
Wenn Lisa ein neues Tourenbuch zu Weihnachten bekommt, ist die Freude groß. So auch dieses Jahr, als der Ski-Tourenatlas Schweiz unterm Weihnachtsbaum lag. Das wirklich schön gestaltete und mit doppelseitigen Bildern ausgestattete Buch macht Laune. Man kann gemütlich einige Stunden auf dem Sofa verbringen, sich inspirieren lassen, die Touren im Kopf zu schönen Runden kombinieren und dann ganz konkret das nächste Wochenende planen.
Mit einer schönen 2-Tagestour im Kopf sind wir also losgezogen in die Schweiz, an den Oberalppass.
Und dann steht man vor Ort und stellt fest, dass die Webcams die reale Situation etwas beschönigt haben – wie auch immer sie das geschafft haben. Man zieht die topographische Papier!-Karte raus und verschafft sich einen Überblick. Soweit das der Nebel zulässt. Denn neben der etwas mageren weißen Unterlage, sind zusätzlich noch alle Gipfel tief verhüllt.
Und so wird der ganze Plan innerhalb von 10 Minuten über den Haufen geworfen. Die Abfahrt über die Nordflanke des Piz Cavradi (geplant für Tag 2) ist definitiv nicht möglich – also lieber an Tag 1 mal den „normalen“ Zustieg zur Hütte auschecken und oben noch einen Gipfel ranhängen. Dann weiß man auf jeden Fall wie man wieder gut zum Ausgangspunkt zurück kommt. Und die Zugfahrt auf den Oberalppass erst einmal verschieben – vielleicht lässt sich das ja in den Rückweg einbauen.
So ist das oft im Winter: Die Schneesituation und der Wetterbericht können zwar immer zuvor tagelang beobachtet werden, am Ende muss man aber vor Ort entscheiden.
Wir spazieren also gemütlich zur Maighelshütte. Der Oberalppass liegt düster, grau-in-grau über uns, überall schauen Steine raus. Die Passstraße dient uns auf den ersten 100 Höhenmetern als Zubringer, dann biegen wir ab. Immerhin löst sich der Nebel nach halber Strecke auf und wir wechseln vom schwarz-weiß Modus zu strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. An der Maighelshütte gönnen wir uns erst einmal einen Kaffee. Und sind sehr positiv überrascht- das junge Hüttenteam hat sich da eine richtig schöne Siebträger-Maschine geleistet. Somit trinken wir den besten Kaffee, den wir je auf einer Berghütte getrunken haben.
Mit den letzten Sonnenstrahlen laufen wir noch auf den Hausberg der Maighelshütte, den Piz Cavradi. Dieser wäre eigentlich für Tag 2 geplant gewesen, aber so nehmen wir die 300 Höhenmeter noch mit und fahren bei ansetzender Abendstimmung Richtung Hütte & Abendessen. Abends in der Hütte ist noch genügend Zeit, Tag 2 im Detail zu planen. Hier sind die Hüttenwarte in der Regel immer sehr hilfreich. Sie kennen ihr Gebiet und die herrschenden Bedingungen am besten.
Um unseren zweiten Tourentag voll auszunutzen laufen wir im dichten Nebel morgens los Richtung Piz Ravetsch und den Maighels-Gletscher. Dieses Mal ist der Nebel noch dichter. Wir laufen wie durch Watte. Alles ist still. Und eingefroren. Einerseits fiebert man dem Moment entgegen, an dem endlich die Sonne durchkommt. Andererseits geniesst man die Monotonie der Umgebung und das schlichte Dahinlaufen. Nachdem wir ein paar Höhenmeter gewinnen, ändert sich das Licht. Aus dem grau-weiß wird ein diffuses Blau. Und auf einmal tauchen die ersten Gipfel im Sonnenschein auf. Der Nebel verzieht sich und gibt den Blick auf die Berge frei.
So ein schönes Gefühl. Vielleicht ist genau dieser Moment – dieses Gefühl, der Grund, warum wir so gern in die Berge gehen. Die Freiheit draussen zu sein, ganz im Augenblick und wie ein kleines Kind zu Staunen. Ehrfürchtig um sich zu blicken und die Ausblicke abzuspeichern.
Nach unserem kleinen Ausflug an den Beginn des Gletschers und eine Abfahrt durch zwar wenig, aber schön pulvrigen, frischen Schnee ist es Zeit für eine zweite Runde Kaffee. Und dann beginnt die eigentliche Tour des Tages. Um nicht den Hüttenzustieg als Abfahrt nutzen zu müssen, wollen wir über eine Scharte auf die andere Seite der Bergkette wechseln und nach Andermatt abfahren. Von dort können wir den Zug über den Oberalppass wieder zurück zum Ausgangspunkt nehmen. Wir fellen Mittags noch einmal auf und beginnen den zweiten Anstieg des Tages zur Martschalllücke. Die Tour bis dorthin ist sehr eindrucksvoll, wir laufen am Rande eines kleinen, eingeschneiten Sees entlang, vorbei an riesigen Blöcken. Nirgends eine Spur von Zivilisation, wir sind nur umgeben von hohen Bergen.
Die letzten Meter zur Scharte werden die Ski geschultert, in dem steilen Gelände lassen sich keine Spitzkehren mehr laufen. Und dann geht es schöne 1000 Höhenmeter über weite Hänge nach Andermatt-Nätschen. Und ganz gemütlich mit dem Zug zurück zum Ausgangspunkt.
Und das Abenteuer endet, wie es angefangen hat. Lisa trägt Datum & Tourendaten in ihren Ski-Tourenatlas ein. Mit einem Extra Vermerk: „Bester Hütten-Kaffee ever“. Dann wird das Post-it entfernt und das Buch feierlich geschlossen.
PS: Wir haben natürlich nicht nur die Papier-Karte dabei. Für die Schweiz empfehlen wir die echt tolle App Swisstopo mit der Möglichkeit die detaillierten Karten auch offline zu nutzen – ganz ohne Gebühren.
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