Wenn man mit etwas Ehrgeiz viel in den Bergen unterwegs ist, steht man in der Regel immer mal wieder auf neuen Gipfeln und sucht sich neue Ziele – höher, weiter, anspruchsvoller. Dazu habe ich gerade sehr passende Worte von einer 89 jährigen Klettererin aus Oberösterreich gehört: Es gibt nur zwei Möglichkeiten – Entweder man gibt auf, oder man wird stärker. Dieser Satz ist meiner Meinung nach auf vieles im Leben anwendbar, aber natürlich besonders auch auf den Bergsport.  

Eine Kletterroute begleitet mich gedanklich nun schon seit einigen Jahren. Auf meinen Hausberg in Oberösterreich, den Traunstein, führen viele verschiedene Wege. Drei offizielle Wanderwege, eine Vielzahl an inoffiziellen, anspruchsvollen Steigen und eine imposante Kletterroute. Diese Route führt durch die Südwestwand des Traunsteins, ist 30 Seillängen lang und zieht sich mit Schwierigkeiten bis in den oberen 7. Grad über mehr als 1000 Klettermeter durch die Wand. Nach 10 Seillängen ist die letzte Möglichkeit noch halbwegs einfach abzuseilen, danach gibt es nur noch nach der 25. Seillänge die Option durch einen natürlichen Tunnel die Tour etwas früher zu beenden. Sprich auch mental ist die Tour fordernd, da man es – wenn man mal über die 10. Länge hinausgeklettert ist, mindestens bis zum Standplatz nach der Länge 25 schaffen muss, welche zudem die schwierigste Länge der Tour ist.

Vor ein paar Jahren habe ich von der Existenz dieser Route, der Kaffee und Kuchen, gehört. Mir mangelte es aber seither immer an passenden Seilpartnerinnen und definitiv auch noch an Erfahrung, Können und dem Quäntchen Mut, das für eine derartige „Longline“ nötig ist. Vor allem wenn ihr der Ruf voraus eilt, definitiv nicht unterbewertet und ein richtiger Kraftakt zu sein. 

Seit zwei Jahren habe ich nun aber eine Kletterpartnerin, mit der ich immer mal wieder darüber sprach, die Route zu klettern. Aus der Idee wurde langsam ein konkretes Ziel. Das Topo (also die Routenbeschreibung) hing dann auch irgendwann an meinem Badezimmerspiegel und ich hatte täglich dieses Ziel vor Augen. 

Schön wäre nun, wenn man sagen könnte, dass die letzten beiden Jahre perfekt für die Vorbereitung gewesen wären und man alles getan hat, um dieses Ziel bestmöglich erreichen zu können. Wie das Leben so spielt, kamen da einige Dinge dazwischen – geschlossene Kletterhallen, schlechtes Wetter, zu viel Arbeit und teilweise auch verschobene Prioritäten. Irgendwie hatten wir aber trotzdem den fixen Gedanken gefasst, die Kaffee und Kuchen diesen Sommer zu klettern.  

Nun, Anfang September war es endlich soweit. Ein Schönwetterfenster tat sich auf und wir beschlossen kurzerhand Richtung Oberösterreich zu fahren. Da das Hotel Mama direkt unterhalb des Traunsteins liegt, hatten wir die besten Voraussetzungen, um um 5:15 Uhr ohne Anfahrt früh zu starten.  

Um zum Einstieg zu gelangen, mussten wir in leichter Kletterei, mit künstlichen Licht, durch ein Bachbett emporsteigen. Am Einstieg selbst war es bereits hell genug um die Stirnlampen weg zu packen. Die ersten 8 Seillängen flogen geradeso vor sich hin und wir waren trotz mehrmaligem Steinschlag von Gämsen und etwas brüchigen Passagen begeistert, wie gut alles lief.  

In den nächsten, etwas schwereren Längen bis in den 7. Grad merkte ich aber, dass die Tour in Bezug auf ihre Bewertung wahrlich nicht gerade einfach ist. Und aus dem Unterbewusstsein deutete sich ganz langsam an, dass heute auch nicht mein stärkster Tag sein würde. Man hat das manchmal, Tage an welchen auf unerklärliche Weise Alles, und ich meine wirklich Alles, super läuft und einfach von der Hand geht. Und eben auch Tage, an welchen die Tendenz eher in die andere Richtung abdriftet. Die Wand wurde auf alle Fälle steil, die Griffe klein und insgesamt alles recht kräftezehrend. Doch auch diese paar Längen kletterten wir recht schnell und waren guter Dinge, die Tour wie geplant zu schaffen. Wir hofften, dass die leichteren Passagen zwischendurch unsere Kraftreserven immer wieder etwas aufladen würden.  

Nach der 15. Seillänge kam der nächste lange und steile Aufschwung mit teilweise kniffeligen Zügen im unteren 7. und oberen 6. Grad. Die darauf folgende, recht knackige 7 lies mich dann zum ersten Mal an meiner Ausdauer und vor allem daran zweifeln, dass wir tatsächlich alle Längen würden klettern können. Meine Partnerin schien noch fitter und bewältigte die schwierigen Längen tapfer im Vorstieg. Nach einer unheimlich anstrengenden 24. Seillänge, bei der Vorgänger schon eine Schlinge installiert hatten, um die überhängende Wand zu bewältigen, standen wir am Standplatz vor der Schlüssellänge. Einer laut Topo plattigen 7+. Ich begann mit dem Vorstieg, doch in meinem Kopf hatte sich der Gedanke manifestiert, dass ich einfach keinen Griff mehr halten konnte. Ich arbeitete mich ein Stück hoch, klippte die ersten vier Expressschlingen der Schlüssellänge, um dann aber an der fünften Exe einfach nicht mehr weiter zu kommen. Mental hatte mein Kopf hier schon aufgegeben. Die vorhergehenden Seillängen hatten uns zu viel Kraft und vor allem Zeit gekostet. Die Sonne kam dem gegenüber liegenden Gmundnerberg immer näher. In solchen Momenten muss man dann ruhig bleiben und ich beschloss den Vorstieg abzugeben, in der Hoffnung meine Partnerin käme schneller und besser voran. Auch sie war platt, konnte aber immerhin die kniffelige Stelle lösen und uns zum nächsten Standplatz bringen.  

Nach der Schlüssellänge folgt kurzes Gehgelände und nochmals ein Aufschwung im sehr anhaltenden oberen 6. Grad. Wir erreichten den entscheidenden Standplatz vor dem Gehgelände und den letzten Längen um 19 Uhr. Option 1 war mit dem restlichen verbleibenden Tageslicht und den Stirnlampen weiter zu klettern. In Bezug auf unsere verbliebene Kraft und fehlende Ausdauer aber nicht wirklich eine Option. Dafür können bei derartigen Touren zu viele Fehler passieren.  

Option 2 war an dieser Stelle durch einen natürlichen Tunnel auszuqueren und die letzten Längen für das nächste Mal aufzuheben. Uns war beiden klar, dass wir an diesem Tag sehr zufrieden mit den 25 Längen waren. Wir freuten uns am Tunnel angekommen zu sein und waren trotz der fehlenden Längen stolz. Stolz darauf ohne große Blessuren am letzten Stand zu sein, gemeinsam diese Tour geklettert zu sein und als gleichberechtigtes Team Entscheidungen getroffen zu haben. Stolz darauf, den ganzen Tag in dieser mächtigen Wand gewesen zu sein, von der ich nun schon so lange gesprochen hatte. Ein Eintrag im Tunnelbuch blieb uns aber leider verwehrt, irgendeinem unserer Vorgänger war wohl der Stift abhanden gekommen. 

Für uns beide war es die bisher längste Tour und auf Grund der Länge und Schwierigkeiten das bisher Anspruchsvollste, das wir je geklettert waren. Vom Tunnel stiegen wir im letzten Licht eines sehr  kitschigen Sonnenuntergangs noch auf zum Naturfreundehaus und von dort dann auf der Rückseite des Berges über den leichtesten der drei Wanderwege in der Dunkelheit hinab ins Tal. Zurück zum Ausgangspunkt nach insgesamt 17 Stunden unterwegs, zurück zum Hotel Mama und dem wohlverdienten Bier.  

Die 89-jährige Maria Kittl wäre sicher auch stolz auf uns: Die Tour hat uns wieder ein Mal gezeigt, dass Aufgeben keine Option ist, sondern nur die Option bleibt, stärker zu werden. Um noch einmal wiederzukommen und bis zum Ende zu klettern, samt dem gerühmten Kaffee und Kuchen am Naturfreundehaus. 

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