Es gibt Berge und Touren, die hat man immer wieder vor Augen. Man fährt immer wieder daran vorbei, wirft von der Ferne einen Blick auf den Routenverlauf, überlegt, ob die Verhältnisse gerade passend wären. Denkt sich mitten in die Tour hinein und fiebert dem Tag entgegen, an dem alles stimmig ist und man die Tour endlich machen kann. Eine solche Tour ist für mich die Rubihorn-Nordwand, eine kombinierte Winter-Alpintour. 

Es wäre jetzt gelogen zu behaupten, dass ich nur ein Ziel im Kopf hätte, das ich unbedingt mal klettern, mit Ski abfahren, bereisen, etc. möchte. Mein Touren-Ideen-Buch ist voll. Manche Touren hakt man mit der Zeit ab, in der Regel kommen verhältnismäßig aber immer mehr neue Touren hinzu, als man abhaken könnte. Eine wirklich wichtige – wahrscheinlich weil mit “Heimat” verbundene Tour – hatte ich letzten Herbst mit Lena endlich erledigen können. Wir sind am Traunsee in Oberösterreich die Mehrseillänge Kaffee und Kuchen auf meinen Zuhause-Hausberg, den Traunstein, geklettert. 

Im Allgäu, meiner Wahlheimat, habe ich aber verhältnismäßig die meisten Touren-Ideen offen. Hier gibt es vor der Haustüre einfach zu viele Möglichkeiten. Ein Berg, den man ständig vor der Nase hat, sobald man im Illertal Richtung Oberstdorf und Allgäuer Hauptkamm blickt, ist das Rubihorn. Sowohl sommers wie winters waren wir schon viel rund ums Rubihorn unterwegs. Dabei hat man immer wieder die formschöne Nordwand vor Augen. Während im Sommer die Heerscharen auf dem Wanderweg unterwegs sind, wird es im Winter etwas ruhiger rund ums Rubi. Irgendwann hat mir dann Mal jemand von der Rubi Nordwand als Wintertour erzählt. Je nach Verhältnissen und Linienwahl kann man relativ einfach bis ganz schwer durch die im Winter gefrorene und eingeschneite Wand Klettern.

Ziemlich schnell nach dieser Erzählung stand die Tour dann schon in meinem Touren-Ideen-Buch. Und jedes Mal, wenn wir Richtung Talschluss unterwegs waren, wanderten meine Augen in Richtung Wand. Aber bisher hatte sich nie eine Gelegenheit ergeben – bis ich vor einem Monat mit einem Freund in der Kletterhalle zufällig auf die Wand zu sprechen kam. Und er meinte ganz nebenbei, er sei letztes Jahr unzählige Male oben gewesen. Meine Augen begannen sofort zu strahlen und mit einem breiten Grinsen meinte ich: ja nimmst mich mit?

Oft stehen und fallen gute Tage am Berg mit den Menschen, mit denen man unterwegs ist. Besonders beim Klettern bin ich sehr wählerisch, mit wem ich unterwegs bin und würde niemals um einer Tour willen mit jedermann losziehen. Umso größer war meine Freude über dieses zufällige Gespräch. 

Die Verhältnisse der letzten Tage hätten nicht besser sein können. Lawinenwarnstufe 1, kein Neuschnee in Sicht, kalte, sternenklare Nächte. Die Tour selbst ist dann überraschend einfach, wobei dies sicher den perfekten Verhältnissen und auch dem kundigen Vorsteiger geschuldet ist. Und “einfach” ist ja auch immer relativ. 

Ein Großteil der Tour besteht aus steilem Gestapfe im Schnee, dazwischen sind immer wieder kurze Fels/Eis/Gras-Passagen zu überwinden, die man am besten im Seil klettert. Nach der Hälfte der Wand, muss man eigentlich nur mehr geradeaus hochstapfen. Timo weiß genau, wo die Standplätze sind und welche Abzweigungen er nehmen muss. Wenn nur jede Klettertour so laufen würde.

Die letzten Meter vor dem Gipfel, sieht man das Kreuz schon in der Sonne strahlen. Aus dem Schatten kommend, blendet die Sonne erst einmal gewaltig. Und dann steht man auf dem Gipfel des Rubihorns, den kompletten Allgäuer Hauptalpen-Kamm vor Augen. Und hat so mir nichts, dir nichts, eine Tour abgehakt und einen schönen Einblick in die Welt des Winterbergsteigens bekommen. 

Und dann sitzt man um drei Uhr nachmittags wieder im Büro vor dem Computer, als wäre nichts passiert. 

Das Winterbergsteigen hat, genauso wie im Sommer das Alpinklettern, für mich den Reiz, dass man lange Zeit in einer Wand verbringt, seinen Weg sucht und sich voll und ganz auf die gebotenen Schwierigkeiten konzentrieren muss, um am Ende am Gipfel aussteigen zu können. Zu fallen oder unkonzentriert weg zu rutschen ist oftmals keine Option. Genauso wie bei den langen, nordseitigen Klettereien im Sommer, ist es ein unbeschreibliches Gefühl, gegen Gipfel hin, die ersten Sonnenstrahlen abzubekommen. Aus dem Schatten raus ins Licht zu kommen.

Um eine Erfahrung reicher, komme ich so wieder am Fuß des Berges an. Vor allem aber auch um einen schönen Bergtag mit guten Gesprächen, etwas Abenteuer-Feeling und vielen schöne Ausblicke mehr, lässt es sich gut weiter arbeiten.

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